Gesunde Grenzen – Grundlagen.

Grenzen sind Erwartungen und Bedürfnisse, die dir helfen, dich in deinen Beziehungen sicher und wohl zu fühlen. (Nedra Tawweb)

Grenzen sind persönlich, kontextspezifisch und können sich mit der Zeit verändern.

Bei gesunden Grenzen geht es nicht nur darum, Nein zu sagen. Wir können auch zu starre Grenzen haben – wenn wir IMMER Nein sagen oder bestimmte Situationen vermeiden oder wenn wir Menschen generell nicht vertrauen. Im anderen Extremfall, wenn wir dazu neigen, NIE Nein zu Menschen oder Situationen zu sagen, wenn wir uns übermäßig entschuldigen und ständig Schuldgefühle haben, wenn wir uns mal um unsere eigenen Bedürfnisse kümmern, haben wir wahrscheinlich zu durchlässige (poröse) Grenzen.

Ungesunde Grenzen können zu Groll, Wut, Frustration und Burnout führen. Sie können psychische Probleme wie Angstzustände, Depressionen und Drogenmissbrauch verschlimmern.

Statt gesunde Grenzen zu setzen, vermeiden wir manchmal Situationen und Menschen ganz, ziehen weg, tratschen oder beschweren uns.

Aber wenn wir ein gesundes Leben führen wollen, kommen wir nicht umhin, gesunde Grenzen zu setzen.

Choose discomfort over resentment. (Brené Brown).

Die amerikanische Professorin und Autorin Brené Brown fordert sich selbst und uns dazu auf, lieber kurfristiges Unbehagen auszuhalten statt aufgrund ungesunder Grenzen anderen gegenüber Groll zu hegen oder unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen zu bereuen. Gesunde Grenzen schützen so unsere persönliche Würde und unsere Beziehungen, auch die zu uns selbst!

Laut der New York Times-Bestsellerautorin und Therapeutin Nedra Tawwab gibt es sechs Arten von Grenzen: körperliche, sexuelle, emotionale, geistige, materielle und zeitliche.

In welchen der obengenannten Bereichen möchtest du Grenzen setzen und wie könnten diese für dich persönlich aussehen?

Wenn du deine Grenzen identifiziert hast, geht es zum  nächsten Schritt: Wie kommunizierst und vertrittst du diese nach außen?

Die gesündeste Art, seine Grenzen mitzuteilen, besteht darin, selbstbewusst aufzutreten, seine Bedürfnisse und Gefühle klar und direkt zu äußern, ohne den anderen anzugreifen. Im Gegensatz zu allen Formen ineffektiver Kommunikation wie Passivität, Aggressivität, passiv-aggressives Verhalten oder Manipulation.

Wir sind schon sehr früh darauf programmiert worden, uns schuldig zu fühlen, wenn wir unsere Bedürfnisse äußern. Aber wir können lernen, diese Gefühle des Unbehagens als Teil des Prozesses gesunder Grenzen anzunehmen und unsere automatischen Reaktionen, keine klaren Grenzen zu setzen, zu überwinden: Wenn du beispielsweise dazu neigst, automatisch Ja zu sagen, arbeite daran zunächst innzuhalten bevor du reagierst. Verschaffe dir mehr Zeit, um die Situation zu bewerten und herauszufinden, was du wirklich willst. Du kannst dir vorher einen bestimmten Satz überlegen, den du benutzen kannst um Zeit zum nachdenken zu gewinnen, zum Beispiel „Ich kann im Moment keine Entscheidung treffen. Ich melde mich im Laufe des Tages bei Ihnen“.

Das Wissen um unsere Grenzen und deren Kommunikation nach außen sind notwendige aber nicht ausreichende Schritte. Wir müssen auch bereit sein, diese durchzusetzen und sie zu wiederholen.

Die Menschen in unserem Leben (einschließlich uns selbst) erwarten von uns, dass wir uns so verhalten, wie wir es immer getan haben. Jetzt ändern wir plötzlich die Spielregeln. Vielleicht nehmen sie das anfangs nicht ernst.

Der manchmal schwierigere Schritt besteht also darin, eine Konsequenz zu ziehen, wenn jemand unsere neu gesetzten Grenzen verletzt. Wenn du deine eigenen Grenzen nicht respektierst, indem du anderen erlaubst, sie zu verletzen, werden sie damit fortfahren, und du wirst dich wahrscheinlich verärgert fühlen.

Ein sanfterer Ansatz, um die eigenen Grenzen zu respektieren und mit Grenzverletzungen in belasteten Situationen umzugehen, ist der Prozess der Gewaltfreien Kommunikation (für mehr Informationen siehe Artikel Die Sprache des Friedens: Erfolgreich Kommunizieren). Die Stärke liegt in der nicht wertenden, nicht angreifenden Durchsetzungskraft:

  1. Beschreibe die Situation objektiv, ohne zu beschuldigen oder zu beurteilen: Wenn…
  2. Beschreibe dein Gefühl: …fühle ich…
  3. Gebe an, welches Bedürfnis verletzt wurde: Weil mein Bedürfnis nach… nicht erfüllt wird.
  4. Formuliere eine Bitte: Wärst du bereit,…

In ihrem Buch Boundary Boss, ermutigt die Autorin und Psychotherapeutin Terri Cole uns, für unsere Bedürfnisse einzustehen und formuliert eine griffige Charta, die sie Boundary Bill of Rights nennt:

  1. Du hast das Recht, zu anderen Nein (oder Ja) zu sagen, ohne dich schuldig zu fühlen.
  2. Du hast das Recht, Fehler zu machen, den Kurs zu korrigieren oder deine Meinung zu ändern.
  3. Du hast das Recht, für deine Vorlieben, Wünsche und Bedürfnisse zu einzustehen und zu verhandeln.
  4. Du hast das Recht, all deine Gefühle auszudrücken und zu anzuerkennen, wenn du das möchtest.
  5. Du hast das Recht, deine Meinung zu äußern, auch wenn andere damit nicht einverstanden sind.
  6. Du hast das Recht, mit Respekt, Rücksicht und Sorgfalt behandelt zu werden.
  7. Du hast das Recht zu bestimmen, wer das Privileg hat, an deinem Leben teilzuhaben.
  8. Du hast das Recht, deine Grenzen und No-gos mitzuteilen.
  9. Du hast das Recht, deine Selbstfürsorge zu priorisieren, ohne dich egoistisch zu fühlen.
  10. Du hast das Recht, die Wahrheit zu sagen, gesehen zu werden und frei zu leben.